Segel setzen

Kategorie: Best Practice

Segel setzen

Johanna Ahrens arbeitet dort, wo viele gerne ihre Freizeit verbringen: in der Yachtschule Hannover. Vor anderthalb Jahren hat die junge Hobbyseglerin den Bootsverleih samt Schulbetrieb übernommen – mit einem überzeugenden Konzept, viel Enthusiasmus und der Unterstützung der Sparkasse Hannover.

Der Arbeitsplatz ist ein Traum: Schaut Johanna Ahrens aus dem Fenster, blickt sie auf den Maschsee, der an diesem Sommertag die Sonne malerisch spiegelt. Am gegenüberliegenden Ufer die dichten Baumreihen, hier Dutzende Boote, die Ahrens‘ Gäste hier in der Yachtschule Hannover zum Segeln oder zum Tretbootschippern ausleihen können.

Das Hobby zum Beruf gemacht

Ahrens ist die Chefin an diesem traumhaften Ort – mit gerade einmal 25 Jahren. Bereits mit zwei saß sie zum ersten Mal in einem Segelboot. Fast jede freie Minute verbrachte sie seitdem auf dem Wasser. 2019 segelte sie ein ganzes Jahr vor der Küste Griechenlands, brachte Novizen das Segeln bei. Auch 2020 stand das wieder im Kalender, doch Corona machte die Pläne zunichte.

Um nicht ganz auf das Segeln zu verzichten, begann Johanna Ahrens an der Yachtschule am Maschsee mitzuarbeiten – neben ihrer Ausbildung zur Speditionskauffrau. Der damalige Besitzer, Hannes Bondesen, ist ein Freund der Familie, bei ihm hat Ahrens das Segeln gelernt. Bondesen erzählte seiner jungen Mitarbeiterin, dass er die Yachtschule im Sommer 2021 abgeben wolle, nach 53 Jahren als Chef.

Der damals 82-Jährige hatte bereits erste Gespräche mit Interessenten geführt, doch Ahrens durchkreuzte diese Verhandlungen: „Verkauf die Yachtschule mir!“, sagte sie. Bondesen hatte gar nicht daran gedacht, dass die junge Frau eine potenzielle Nachfolgerin sein könnte, schließlich steckte sie noch in ihrer Ausbildung. Doch er wusste, dass für Johanna Ahrens Segeln eine Berufung ist, und der Schritt, das Hobby zum Beruf zu machen, eigentlich logisch. „Segeln ist einfach mein Ding und alles, was damit zu tun hat“, sagt Ahrens. Das erkannte auch der Besitzer der Yachtschule – und schlug ein.

Ein stimmiger Businessplan – und viel Energie

Hier kommt die Sparkasse Hannover ins Spiel. Stefanie Jakubka vom Center Nachfolge und Gründung erinnert sich bei einem Treffen auf dem Bootssteg am Maschsee noch an das erste Gespräch mit Johanna Ahrens im März 2021. Corona bestimmt damals den Alltag. „Ich war skeptisch“, räumt Stefanie Jakubka ein. Eine so junge Gründerin mitten in der Ausbildung. Dazu die Gründung in der Pandemie, in der die Theorieausbildung der Segelschüler in einem Raum praktisch unmöglich war. Wie sollte das alles funktionieren, wie konnte man da profitabel arbeiten?

Johanna Ahrens (li.), Inhaberin und Geschäftsführerin der Yachtschule Hannover, und Firmenkundenberaterin Stefanie Jakubka

Die beiden Frauen vereinbaren ein persönliches Treffen. Und da habe Johanna Ahrens sie mit ihrer Freude und ihrem Enthusiasmus überzeugt, aber auch mit ihren ausgefeilten Plänen: ein stimmiger Businessplan, viel Erfahrung in der Branche, ein optimaler Standort und ein kluges Corona-Konzept mit digitalem Segelunterricht. Dazu sei die Energie der Gründerin gekommen. „Das war ein Lichtblick in einer sonst von trüber Stimmung geplagten Zeit“, erinnert sich die Beraterin.

Reibungslose Nachfolge

Innerhalb von wenigen Wochen erarbeiten sie ein Konzept für die Finanzierung. Die Sparkasse Hannover bewilligt einen Gründungskredit, dazu beteiligen sich weitere Banken und die KfW. Johanna Ahrens steuert zusätzliches Eigenkapital bei. „Das war eine wirklich gelungene Übergabe“, sagt Stefanie Jakubka. Sie kann frühzeitig in die Bücher des langjährigen Besitzers schauen. Alter Chef und neue Chefin seien einander sehr wohlwollend begegnet – nicht immer laufe die Nachfolge so reibungslos, berichtet die Sparkassen-Expertin. Parallel beendet Ahrens ihre Ausbildung erfolgreich.

Anfang August 2021 startet der Betrieb unter neuer Flagge. Bis zu zehn Teilzeitkräfte helfen Johanna Ahrens heute. Ihre Mutter kommt oft zum Maschsee, um die Tochter zu unterstützen. Im Frühling und Sommer ist die Chefin oft schon um 8 Uhr am See, bereitet alles vor, damit sie um 11 Uhr aufmachen kann – nach Hause kommt sie selten vor 22 Uhr. Und auch der Rest des Jahres ist nicht automatisch Urlaub. Nach Saisonende werden die Boote repariert und eingelagert, Herbst und Winter sind eine wichtige Zeit für den theoretischen Unterricht und die schriftlichen Segelprüfungen.

Pläne erfüllen – Pläne schmieden

Johanna Ahrens ist Optimistin. Probleme versuche sie mit einem Lächeln anzugehen, sagt sie. „Das Saisongeschäft ist ja schon manchmal eine Belastung.“ An trüben Tagen im Frühling, wenn sich kaum ein Besucher an den Maschsee verirrt, müsse man schon viel Zuversicht haben, dass das Ergebnis am Jahresende stimmt.

Und das tut es bislang. Stefanie Jakubka jedenfalls ist mit ihrer Kundin sehr zufrieden. „Frau Ahrens hat ihre Pläne wie vorgesehen umgesetzt, das ist wunderbar zu sehen“, sagt sie. So soll es auch mit den Vorhaben laufen, die als nächstes anstehen: Zurzeit üben Ahrens‘ Schülerinnen und Schüler, die den sogenannten Sportbootführerschein See machen wollen, an der Ostsee noch auf einem gecharterten Segelboot. Ein eigenes Boot an der See, das ist ein Traum, der in einem der nächsten Gespräche mit Stefanie Jakubka Thema werden könnte.

Text: Gerd Schild
Fotos: Helge Krückeberg