Strategisch planen – sicher finanzieren
Die rasant steigenden Zinsen schlagen auf die Kreditkosten durch. Wer variabel finanziert hat, laufende Darlehen refinanzieren muss oder neue Projekte plant, sollte derlei Risiken absichern. Tipps für kluges Zinsmanagement in ungewissen Zeiten.
Es passierte in den Sommerferien: Im Juli überschritt der Drei-Monats-Euribor – ein Referenzzins, der als Grundlage vieler Kreditgeschäfte dient – erstmals seit 2015 wieder die Nulllinie. Mittlerweile liegt er bei etwa 1,8 Prozent, und etwa in diesem Ausmaß sind auch die Kosten für Unternehmen gestiegen, die einen neuen variablen Kredit abschließen. Bei einem Darlehen über 500.000 Euro bedeutet dies eine zusätzliche Belastung von 9.000 Euro pro Jahr.
„Die Situation spiegelt die allgemeine Unsicherheit an den Märkten“, sagt Jens Wustrow, Corporate-Finance-Spezialist bei der Sparkasse Hannover. „Um so wichtiger ist es, Finanzierungen präzise zu planen und keine übermäßigen Risiken einzugehen.“ Er empfiehlt, die persönliche Zinsstrategie in fünf Schritten umzusetzen:
1. Risiken identifizieren
Unternehmen sollten zunächst prüfen, in welchem Umfang sie Finanzierungen mit variablem Zins abgeschlossen haben, die unmittelbar von der Marktentwicklung betroffen sind. Wichtig ist auch ein Überblick über Festzinsdarlehen, bei denen in den kommenden Jahren Zinsanpassungen anstehen und etwaiger neuer Kreditbedarf. „Je detaillierter die Bestandsaufnahme ausfällt, desto besser lässt sich der Handlungsbedarf ermessen“, sagt Wustrow.
2. Märkte bewerten
Ist der Zinshöhepunkt erreicht? Oder setzt sich der Anstieg fort? Wer Kredite abgeschlossen hat oder Finanzierungen plant, ist gut beraten, sich eine Meinung darüber zu bilden, wie es an den Märkten weitergeht. „Die Expertinnen und Experten der Sparkasse stehen bereit, um sich über Zinsprognosen und Handlungsoptionen auszutauschen“, sagt Wustrow. Ziel sollte es sein, die Finanzierung so zu strukturieren, dass sie der persönlichen Risikoneigung des Unternehmers entspricht. „Man sollte mit seiner Entscheidung ruhig schlafen können.“
3. Strategie entwickeln
Bei klassischen Investitionskrediten mit festem Zinssatz sollte sich die Laufzeit an der Abschreibungsdauer des Objekts orientieren, das damit finanziert wird. Zurzeit sind langlaufende Kredite häufig günstiger als Kurzläufer. Diese „inverse“ Zinsstruktur macht es in Einzelfällen sinnvoll, eher eine lange Zinsbindung zu wählen.
Wer einen variablen Zinssatz bevorzugt, aber trotzdem auf Planungssicherheit Wert legt, kann neben dem Kredit zusätzlich eine Zinssicherungsvereinbarung abschließen. Die sieht vor, dass der Zins zum Beispiel eine Bandbreite nicht verlässt beziehungsweise eine Obergrenze nicht überschreitet. Für diese Absicherung, bei der derivative Instrumente zum Einsatz kommen, wird eine Prämie fällig. „Mit derivativen Zinssicherungsinstrumenten lässt sich eine gleichbleibende Zinsbelastung über bis zu 30 Jahre festschreiben“, sagt Wustrow. Zugleich bleiben Kreditnehmer flexibel: Die Absicherung kann auf Teilbeträge beschränkt oder während der Laufzeit verkauft oder umstrukturiert werden. Zusätzlich sind grundsätzlich Sondertilgungen oder eine Aussetzung der Tilgung möglich.
4. Strategie umsetzen
Stehen Finanzierungsumfang, Risikoneigung und Zinsbudget fest, geht es daran, passende Angebote für eine Zinssicherung einzuholen. Indem einzelne Parameter wie etwa die Zinsobergrenze verändert werden, lassen sich Absicherung und Kosten optimal an die Kundenvorstellungen anpassen.
5. Absicherung kontrollieren
Während der Laufzeit sollten Unternehmen regelmäßig prüfen, ob Finanzierungsprojekt und Finanzierungsform noch gut zusammenpassen – und gegebenenfalls handeln: Bei derivativen Finanzierungen haben Darlehensnehmer etwa die Möglichkeit, die Zinsvereinbarung unabhängig vom Kreditvertrag zu kündigen oder zu verändern. Jens Wustrow empfiehlt, Sicherungsstrategie, Risikoneigung und Marktlage regelmäßig abzugleichen: „So lässt sich stets für die individuelle Interessenlage die optimale Lösung erzielen.“
Text: Christian Baulig
Fotos: Jens Wustrow, Adobe Stock