Mensch und Maschine
Präzision ist nicht nur in den Werkhallen des Unternehmens MWG höchste Priorität. Die Zerspanungsexperten aus Neustadt haben auch ihre Finanzplanung und ihre Führungsstrukturen verfeinert, um an der Speerspitze der Hightech-Fertigung zu bleiben.
Die stählernen Kupplungsteile sind etwa 1,30 Meter lang, 60 Zentimeter breit und ebenso hoch. Schwarz glänzend stehen sie in der Werkhalle auf Paletten zum Abtransport bereit, um später in einem ICE-Zug ihren Dienst zu tun. Gefertigt wurden die mannsschweren Objekte in der Fräsmaschine gleich hinter den Paletten – und zwar aus einem Stück. „Mit dieser Anlage können wir Werkstücke mit einem Gewicht bis zu vier Tonnen und einer Länge bis zu 1,60 Meter bearbeiten“, sagt Olaf Helmert, einer der beiden Geschäftsführer von MWG. Gemeinsam mit Gründer Michael Goede leitet er das mittelständische Unternehmen in Neustadt am Rübenberge.
Mit ihrem strahlendweißen Gehäuse und dem futuristischen Bedienpult sieht die garagengroße Maschine aus, als könnte sie auch in einem Hightech-Operationssaal Dienst tun. Durch eine riesige Scheibe lässt sich beobachten, wie unter gleißendem Licht ein Werkstück hin und her bewegt und von dem rotierenden Werkzeug in Form gebracht wird. Alle paar Minuten schwenkt der Werkzeugwechselarm zur Seite und tauscht automatisch das Arbeitsgerät. Dann beginnt der Tanz der Teile erneut. Ein Mitarbeiter überwacht den Vorgang und greift nur ein, wenn Material nachgelegt werden muss oder ein Problem auftritt.
Bloß kein Leerlauf!
Mit einem Preis von 1,45 Millionen Euro ist die nagelneue Anlage die teuerste im Maschinenpark von MWG. „Wir müssen technisch immer auf dem neuesten Stand sein, um unsere Kunden zufriedenzustellen“, sagt Helmert. Was die Fachwelt mit dem Schlagwort „Industrie 4.0“ beschreibt, ist bei MWG Realität: Anlagen werden nicht mehr von Maschinenführern gesteuert, sondern laufen vollautomatisch. In Neustadt werden die Programme hierfür in einem Büro gleich neben den Werkhallen geschrieben – von Experten für Computer-aided Manufacturing, kurz: CAM. Jeder der vier Arbeitsplätze ist mit spezieller Feinplanungs-Software ausgerüstet und schlägt mit 30.000 Euro zu Buche.
„Je besser wir planen, desto weniger Leerlauf entsteht – und desto zügiger können wir die Werkstücke ausliefern“, sagt Helmert. Die Kundschaft ist anspruchsvoll: Schienenfahrzeugbauer, Automobilzulieferer, Unternehmen aus der Ölbranche. „Wenn wir verspätet liefern, stockt dort der Betrieb – und das wird schnell sehr teuer.“
MWG hat sich auf den Bau von Prototypen und hochkomplexen Einzelteilen sowie die Fertigung von Kleinserien spezialisiert. 52 Mitarbeiter arbeiten im Zwei-Schicht-Betrieb, um eine möglichst reibungslose Produktion zu ermöglichen. Präzision steht dabei an oberster Stelle. Die Fertigungstoleranz liegt bei einem hundertstel Millimeter – ein menschliches Haar ist fünfmal so dick. In der Qualitätskontrolle wird vor Auslieferung mithilfe spezieller Messgeräte geprüft, ob alle Anforderungen erfüllt sind.
Transparenz in schwierigen Zeiten
Genauso präzise planen die beiden Chefs die Firmenfinanzen. Seit 2016 hat das Unternehmen den Umsatz verdoppelt auf rund 10 Millionen Euro. Gleichzeitig haben sich Rentabilität und Liquidität verbessert. Beim Ratingunternehmen Creditreform rangiert MWG unter den besten zwei Prozent aller Firmen seiner Größenklasse.
Dazu hat auch die enge Kooperation mit der Sparkasse Hannover beigetragen, die seit Gründung von MWG 1994 als Partnerin für Finanzierung, Leasing und Versicherung bereitsteht. „Wir tauschen uns regelmäßig mit der Geschäftsführung über die wirtschaftliche Entwicklung aus“, sagt Firmenkundenberater Frank Skaradzinski. „Dank der transparenten Firmenpolitik können wir schnelle Entscheidungen treffen und anstehende Projekte unterstützen.“
Um die Abläufe im Unternehmen noch besser an die immer anspruchsvollere Technik anzupassen, hat die Sparkasse Experten vom IMB Institut für Mittelstandsberatung vermittelt. Die haben gemeinsam mit dem Führungsteam von MWG das Unternehmen durchleuchtet und eine Strategie für die kommenden Jahre entwickelt. „Dank eines verbesserten Controllings haben wir unsere Kennzahlen jetzt noch besser im Blick“, sagt Helmert. „Angesichts rasant steigender Material- und Energiekosten sowie unsicherer Konjunkturaussichten ist das zurzeit besonders wichtig“, findet Sparkassen-Experte Skaradzinski. Bis 2025 hat MWG den Cashflow geplant. Dann soll das Unternehmen mit doppelt so vielen Kunden 20 Prozent mehr Umsatz machen als heute.
Die nächste Generation steht bereit
Die Vorbereitungen für den nächsten Wachstumsschritt sind schon im hinteren Teil des Firmengrundstücks zu sehen. Dort liegen die Bauteile für eine weitere Halle bereit, in der Lager und Auslieferung zusammengefasst werden. Das Bauprojekt steuert Michael Goede, der auch für die technische Ausrüstung und den Maschinenpark verantwortlich zeichnet.
Auch die Führungsstruktur hat MWG mit Unterstützung der IMB-Berater verbessert: Es wurden Teams mit verantwortlichen Leitern gebildet. Regelmäßig kommt ein Coach ins Unternehmen und bespricht mit den Mitarbeitenden, was gut läuft und was nicht. „Wir haben uns bislang stark auf die Technik konzentriert“, sagt Helmert. „Jetzt merken wir, wie wichtig es ist, dass wir unseren Leuten mehr Verantwortung übertragen.“
Mehr Verantwortung soll sukzessive auch Helmerts Sohn, Malte Lauff, übernehmen. Der 21-jährige Meister in Zerspanungstechnik könnte in einigen Jahren die Nachfolge in der Firmenleitung antreten. „Die Weiterführung des Betriebs hat für uns höchste Priorität“, sagt der 57-jährige Vater. „Deshalb wollen wir die Verantwortung sukzessive in die Hände der nächsten Generation übergeben.“
Text: Christian Baulig
Fotos: Helge Krückeberg