Der grüne Salon

Kategorie: Best Practice

Friseursalon Hairartistic by GSM, Geschäftsführerin Gina Samira Melching (links) mit Mitarbeiterin Susanne Waßmann

Produkte, nachhaltige Behandlungen und viel Zeit für die Kunden: Friseurmeisterin Gina Samira Melching verfolgt in ihrem ersten eigenen Salon einen innovativen Ansatz, der bei der Kundschaft gut ankommt.

Als der Anruf von der Sparkasse kam, dachte Gina Samira Melching: Das ist die Absage! An diesem warmen Mai-Tag war sie gerade auf Sizilien, der Heimat der Großeltern. Eine Woche zuvor hatte die Friseurmeisterin die Unterlagen für den Kreditantrag eingereicht. Tatsächlich erreichte sie eine Zusage. Die Finanzierung ihres Traums war gesichert: ein eigener Salon, in dem sie so arbeiten kann, wie sie es für richtig hält.

Eigentlich hatte sie auf einem Anzeigenportal nach einer neuen Stelle gesucht und dabei die Fotos eines Ladengeschäfts in der Altstadt von Hannover entdeckt. Danach ging alles ganz schnell. Im Sommer 2022 eröffnete Gina Samira Melching in der Knochenhauerstraße, unweit des Ballhofs, den Salon „Hairartistic“. Ihr Alleinstellungsmerkmal: viel Zeit für die Kundschaft, durchweg vegane Produkte und eine nachhaltige Arbeitsweise. Die fokussierte Geschäftsidee spiegelt sich in der klaren, modernen Saloneinrichtung: Die Produkte stehen in schwarzen Metallregalen, die Kundschaft nimmt Platz in gemütlichen, aber schlichten Sesseln, als Blickfang im Eingangsbereich dienen einige Kakteen.

Beim Färben ist der Salon spezialisiert auf verschiedenste Techniken der Balayage, einer Methode, bei der das Farbpigment sanft auf die Haare aufgetragen wird, um einen natürlichen, verblassenden Effekt zu erzielen. „Das ist im doppelten Sinne nachhaltig“, sagt die Gründerin. Zum einen kommen die Farben ohne schädliche Zusatzstoffe aus, zum anderen müssen die Kundinnen und Kunden nicht so bald wiederkommen, weil man den Ansatz weniger schnell sieht als bei anderen Techniken.

Widerstand der früheren Chefs

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die 29-Jährige schon lange. Natürliche Zutaten, ob beim Kochen oder in Pflegeprodukten, sind ihr wichtig. Schon immer hat sie der viele Müll gestört, der in einem Friseursalon entsteht: Folien fürs Haarefärben, die vielen Einwegflaschen für Shampoo, Pflegemittel und Farben. Machte sie Vorschläge, etwas zu ändern, hieß es oft: zu teuer, zu kompliziert.

Im eigenen Salon zeigt sie nun, dass es doch geht. Alle Verpackungen sind recycelbar und gehen zurück an die Hersteller, auch die Folien fürs Färben. „Ich kann damit sogar besser arbeiten als mit der klassischen Folie“, sagt die Friseurin. Abgeschnittene Haare schickt sie als Spende an die Organisation Hair Help The Oceans, die daraus Filter herstellt, mit denen sich Öle oder Treibstoffreste aus dem Meer entfernen lassen. Ein besonders wichtiger Punkt für Gina Samira Melching, die mehrere Patenschaften für Meeresschildkröten auf Bali übernommen hat.

Die Kunden ziehen mit

Ihre Arbeitsweise und die Produkte haben ihren Preis. So kostet ein Damenhaarschnitt ab 55 Euro, Herren zahlen mindestens 40 Euro, Kopfmassage mit Kopfhautpflege inklusive. Doch die Gründerin nimmt sich auch viel Zeit. „Ich bin während des Termins ausschließlich für die eine Kundin oder den einen Kunden da“, sagt sie. Schnell am Nebenstuhl weitermachen, während hier noch die Farbe einwirkt, das gibt es bei Gina Samira Melching und ihrer Mitarbeiterin, die sie kurz nach der Gründung eingestellt hat, nicht. Die Kundschaft sei bereit, für diesen Mehrwert zu zahlen, so die Erfahrung der Friseurmeisterin.

Manch nachhaltige Alternative ist sogar günstiger als herkömmliches Vorgehen. So verwendet Gina Samira Melching Einmalhandtücher aus Papier, durch die das umweltschädliche und teure Waschen von Stoffhandtüchern nach einmaliger Benutzung wegfällt. „Ich habe das durchgerechnet, es steht alles im Businessplan“, sagt die Gründerin.

Unterstützung durch die Sparkasse

Geschäftsführerin Gina Samira Melching und Firmenkundenberaterin Inga Thomas (links)

Dieser Plan hat Inga Thomas vom Center Nachfolge und Gründung der Sparkasse Hannover gleich überzeugt – und zum Anruf auf Sizilien veranlasst. Die Umbaukosten waren überschaubar, weil in den Räumen schon vorher ein Friseursalon untergebracht war. Zudem bestach die Gründerin durch ihre Persönlichkeit. „Das war ein Warmstart“, sagt Inga Thomas mit Blick auf die ersten Monate. Viel Erfahrung, eine solide Planung, jede Menge Stammkunden – das seien ideale Voraussetzungen für eine Gründung.

Und nicht zuletzt der Fokus auf Nachhaltigkeit: „Das Thema wird immer wichtiger, in praktisch jeder Branche,“ sagt Thomas. „Die Nachfrage am Markt wächst und man kann sich mit einem innovativen Ansatz von Wettbewerbern abgrenzen.“

Weniger Tage, längere Öffnungszeiten

Vor ihrer Selbstständigkeit war Gina Samira Melching in zwei Salons in Hannover angestellt. Beim Wechsel hatte sie einen großen Teil der Stammkundschaft mitgenommen. Das machte sie vor der Gründung optimistisch. Und tatsächlich, die Terminbücher sind gut gefüllt. Ihr Wunsch: „Auf zwei Monate ausgebucht sein – und immer mal noch eine Lücke für Stammkunden frei haben“, sagt sie.

Überhaupt: Die Zeit, die ist ihr wichtig. Der Montag, der bei vielen Salons längst regulärer Arbeitstag ist, bleibt geschlossen. Und auch am Samstag gibt es keine regulären Termine. Dafür hat sie an drei Tagen in der Woche sogar bis 20.30 Uhr geöffnet. Bei den Öffnungszeiten hat sie auch an die Mitarbeiterin gedacht. „Ich bin sicher, dass die Viertagwoche für viele sehr attraktiv ist“, sagt die Gründerin.

Beim Thema Nachhaltigkeit ist die Unternehmerin noch nicht am Ende. Statt Zeitschriften aus Papier soll es bald zwei digitale Lesegeräte geben. „Ich möchte offen sein für Innovationen, die gut für mich sind, für die Kunden und für die Umwelt.“

Nachhaltig wirtschaften: So nehmen Sie Ihre Kundschaft mit

  1. Verkaufen Sie Dauerhaftes: Verwenden Sie bevorzugt hochwertige Materialien und im besten Fall Produkte, die recycelt oder biologisch abbaubar sind, und informieren Sie Ihre Kunden darüber. Die schätzen Qualität – und kommen wieder.
  2. Reduzieren Sie die Verpackung: Niemand füllt zuhause gerne die Tonnen und Säcke mit Verpackungsmüll. Viele Kundinnen und Kunden haben sich beispielsweise an Mehrwegverpackungen gewöhnt und wissen diese zu schätzen.
  3. Machen Sie mobil: Bieten Sie Ihrer Kundschaft Anreize für eine nachhaltige Fortbewegung, etwa Parkplätze für Fahrräder oder eine Ermäßigung für alle, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen.
  4. Sparen Sie Energie: LED-Beleuchtung, moderne Kühltechnik oder smarte Steuerungssystem – sparen Sie Energie in Ihrem Unternehmen und sprechen Sie darüber! Denn das zeigt: Hier handelt jemand innovativ, und das färbt auf die Marke ab.

Bieten Sie Reparaturen an: Es fühlt sich gut an, das Leben eines Gegenstands zu verlängern. Bieten Sie also, wo möglich, Reparaturen und das Aufwerten von Dingen an. Die Kunden kaufen zwar weniger neu, bleiben Ihnen aber länger treu.

Text: Gerd Schild
Bilder: Helge Krückeberg