Neuer Antrieb
Ob Energieerzeugung, Mobilität oder Industrieproduktion – überall setzen Unternehmen auf grünen Wasserstoff, um ihre Klimaziele zu erreichen. Das Familienunternehmen JAG aus Burgwedel hat sein Geschäftsmodell umgekrempelt und konzentriert sich voll auf die Versorgung mit dem gefragten Rohstoff.
Der Stoff, mit dem Jens Asmuth es zu tun hat, ist ziemlich kapriziös: Damit man ihn nutzen kann, muss er verdichtet werden auf bis zu 1000 bar – ein Druck wie an den tiefsten Stellen des Weltmeers. Außerdem gilt es ihn für die Betankung zu kühlen auf minus 40 Grad – eine Temperatur wie an den Polkappen. Die Rede ist von Wasserstoff, dem Hoffnungsträger für eine klimafreundliche Wirtschaft. In einem Burgwedeler Gewerbegebiet entwickelt Asmuths Firma JA-Gastechnology (JAG) Lösungen für die Versorgung von Fahrzeugen, Gebäuden und Industrieanlagen mit dem Rohstoff und Energieträger.
Am Rand des Betriebsgeländes zeigt Asmuth, wie viel Aufwand es erfordert, das energiegeladene Gas zu zähmen: Hinter der Tür des Prüfzentrums strömt Wasserstoff durch ein Labyrinth aus Edelstahlröhren, Reglern, Schläuchen und Ventilen, bevor es an der Außenseite über eine Zapfpistole in die Tanks von Testfahrzeugen gepresst wird. „Wir sind überzeugt davon, dass dies die Technik der Zukunft ist“, sagt der Firmenchef.
Fahrzeughersteller, Zulieferer und Forschungsinstitute lassen bei JAG Komponenten testen, um sie für die Wasserstoffmobilität zu optimieren. Nicht wenige ordern bei Asmuth gleich eine eigene Anlage. Auch wenn es darum geht, die Sicherheit der anspruchsvollen Speichersysteme zu prüfen, ist Know-how aus Burgwedel gefragt. Eine der beiden selbstentwickelten Druckkammern von JAG hat ein Autobauer kürzlich vom Firmengelände weg gekauft. „Von der Entwicklung bis zur Installation einer solchen Anlage dauert es mindestens ein Jahr“, erklärt der Firmenchef. So viel Geduld hatte der Kunde nicht. Auf dem Wachstumsmarkt werden gerade die Claims abgesteckt. Und da möchte keiner zu spät kommen.
Transformation im Eiltempo
Dass die Sache mit dem Wasserstoff so schnell Fahrt aufnehmen könnte, hätte er selbst nicht gedacht, räumt Asmuth ein – obwohl er bereits 2014 voraussah, dass sich hier ein lukrativer Markt auftut. Damals entwickelte, baute und verkaufte JA-Gastechnology vorwiegend Kalibriergasanlagen für Abgasanlagen von Verbrennungsmotoren. Heute sorgt dieser Zweig gerade noch für zehn Prozent des Jahresumsatzes von zuletzt rund 12 Mio. Euro. Für den Rest kommt Wasserstoff auf. „Wir müssen uns extrem schnell wandeln“, sagt Asmuth.
Die Sparkasse Hannover ist der entscheidende Partner bei dieser Transformation. Bereits seit 2003 ermöglicht sie mit Kapital die Investitionen der Firma. Seither ist das Unternehmen von drei auf 120 Mitarbeiter gewachsen. „Das war nur durch ein agiles Miteinander der Partner möglich“, sagt JAG-Chef Asmuth. Die Sparkasse finanziert Gebäude, Fahrzeuge und Maschinen, stellt Betriebsmittellinien bereit, gibt Bürgschaften fürs Auslandsgeschäft. Und sie organisierte das Leasing von Komponenten des Wasserstoff-Testzentrums. „Wir unterstützen Unternehmen dabei, nachhaltige Technologien voranzutreiben“, sagt Firmenkundenberater Christoph Grümme (links im Bild), der Jens Asmuth schon seit 15 Jahren kennt und begleitet. „Die Innovationskraft des Unternehmens und die Verlässlichkeit motivieren uns, den intensiven Austausch weiter voranzutreiben.“
Drei Stunden täglich Trends auf der Spur
Für Jens Asmuth zahlt sich jetzt aus, dass er die Bedeutung der Technologie frühzeitig erkannt hat. Sich selbst sieht der 59-Jährige als Stratege in dem Familienunternehmen. Fürs Tagesgeschäft ist Tochter Jorina (26) als Geschäftsführerin verantwortlich, Sohn Mika (22) ist im Vertrieb tätig. Drei Stunden pro Tag, so sagt Asmuth, beschäftige er sich damit herauszufinden, wohin sich der Markt entwickelt: Er studiert Fachmedien, hört Vorträge, spricht mit Experten und vor allem mit seinen Kunden. „Wenn ich von mehreren Quellen ähnliche Informationen erhalte, werde ich hellhörig und prüfe genauer, wie wir davon profitieren können.“
Gerade treibt Asmuth den Serienanlauf eines mobilen Elektrolyseurs voran, der in einem Container überall dort zum Einsatz kommen kann, wo schnell und ohne aufwendige Infrastruktur Wasserstoff mittels Strom und Wasser erzeugt werden muss – etwa zur Wärmeversorgung von Gebäuden, in Industrieanlagen oder an Tankstellen. Dazu werden in Burgwedel Dutzende kleiner Standard-Elektrolyseure miteinander verbunden und mithilfe elektronischer Schaltungen intelligent gemacht.
Wasserstoff-Tankstellen auf Rädern
Drei dieser mobilen Wasserstoff-Erzeugungsanlagen werden bereits im laufenden Betrieb getestet oder befinden sich im Aufbau. Auch mobile Tankstellen könnte Asmuth bereitstellen, wenn es der Markt erfordert. Ein US-amerikanisches Start-up will 2025 in Europa Brennstoffzellen-Lkws an den Start bringen. Um die Versorgung der Flotte mit Wasserstoff zu gewährleisten, könnten Systeme aus Burgwedel zum Einsatz kommen.
Asmuth würde gerne schneller wachsen, mehr Leute einstellen, die Kapazitäten erweitern. Doch den geplanten Ausbau der Firma auf dem angrenzenden Grundstück hat er zurückgestellt. Die Baukosten sind explodiert, die Finanzierungskosten gestiegen. „So rechnet es sich nicht für uns“, sagt Asmuth. „Als Unternehmer muss man Risiken eingehen, aber ich möchte meinen Kindern auch nicht einen Berg Schulden hinterlassen.“
Ganz ruhen lassen mag er das Thema dennoch nicht. Gemeinsam mit Sparkassen-Experte Grümme tüftelt er weiter daran, das Projekt möglichst bald umzusetzen, damit JAG auch in der nächsten Generation Innovationsführer bleibt.
Text: Christian Baulig
Fotos: Helge Krückeberg