„Alle Beteiligten sollten sich an einen Tisch setzen.“

Wer große Werte an seine Nachkommen vererben möchte, sollte sorgfältig planen, was damit nach dem eigenen Tod geschehen soll. Anja Kersting, Expertin für Vermögensnachfolgeplanung und Testamentsvollstreckung bei der Sparkasse Hannover, erklärt, weshalb gerade Unternehmerinnen und Unternehmer diesen Rat beherzigen sollten.
Frau Kersting, warum ist es für Unternehmerinnen und Unternehmer besonders wichtig, ihren Nachlass zu regeln?
Für sie ist der Betrieb meist der wichtigste Vermögenswert. Und es geht dabei nicht nur um Geld, sondern den Fortbestand des Lebenswerks. Man sollte sich also darüber Gedanken machen, ob jemand aus der Familie das Unternehmen weiterführt – und wie die finanziellen Dinge so geregelt werden, dass der Familienfrieden nicht in Gefahr gerät.
Was meinen Sie damit?
Ist beim Nachlass ein Unternehmen im Spiel, kommt es schnell zu Gerechtigkeitsdiskussionen. Nehmen wir an, eine Unternehmerin mit drei Kindern vererbt einen Betrieb im Wert von fünf Millionen Euro, und der einzige nennenswerte Besitz daneben ist ein Einfamilienhaus im Wert von 500.000 Euro. Soll die Tochter das Unternehmen erhalten, bleiben für ihre Brüder jeweils 250.000 Euro übrig – sofern es keinen überlebenden Ehepartner gibt. Hier sollte man zu Lebzeiten eine Regelung finden, die sicherstellt, dass sich alle gerecht behandelt fühlen, ohne dass die Tochter das Unternehmen mit hohen Krediten belasten muss, um ihre Brüder auszuzahlen.
Wie geht man in einer solchen Situation am besten vor?
Es ist wichtig, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und ihre Wünsche und Erwartungen äußern. Außerdem empfiehlt es sich, den Rat von Rechtsanwälten, Steuer- oder Unternehmensberatern einzuholen, die die finanziellen und rechtlichen Konsequenzen von Entscheidungen einschätzen und erklären können. Möglicherweise sind Nachkommen schon zu Lebzeiten des Erblassers bereit, gegen eine Abfindung auf ihren Erb- bzw. Pflichtteil zu verzichten. Oder man findet eine Lösung, bei der einem Kind die Führung des Unternehmens übertragen wird, und die übrigen als Gesellschafter beteiligt werden. Wichtig: Die Regelung muss mit bestehenden Gesellschafterverträgen im Einklang stehen, denn Gesellschaftsrecht schlägt Erbrecht.
Wann sollte man sich mit diesen Fragen beschäftigen?
Etwa fünf Jahre vor der Unternehmensübergabe sollten Unternehmer mit der Planung der Vermögensnachfolge beginnen. Es muss ja erstmal der richtige Nachfolger gefunden und vielleicht auch noch ausgebildet werden. Wer darüber nachdenkt Vermögen an seine Nachkommen zu übertragen, hat auch die Möglichkeit, bereits zu Lebzeiten Besitz zu verschenken. Die steuerlichen Freibeträge – 500.000 Euro für Ehepartner sowie eingetragene Lebenspartner und 400.000 Euro je Kind – lassen sich alle zehn Jahre erneut nutzen.
Wie unterstützen Sie Kundinnen und Kunden bei der Regelung ihres Nachlasses?
Wir informieren über die Fallstricke, die mit Erbschaften verbunden sind und motivieren, den letzten Willen in einem notariellen Testament festzuhalten. Das stellt sicher, dass nach dem Tod keine Missverständnisse auftreten und alles so umgesetzt wird, wie es der Erblasser sich gewünscht hat. Außerdem können wir über unser Netzwerk Fachleute benennen, die in Steuer- und Rechtsfragen kompetent beraten. Gerade wenn ein Unternehmen im Spiel ist, ist das besonders wichtig.
Interview: Christian Baulig
Foto: Andreas Gattermann